La Gazzetta del Popolo 22 giugno 1975

Arbeiter-Besitzer im Kontrapunkt

Endlich ist für diese Sommersaison dieEntscheidung gefallen, eine moderne Oper auf die Bühne zu bringen. Das Opernhaus Regio hat das “DREHENDE DIAGRAMM” vonvAlberto Bruni Tedeschi gewählt. Das Werk ist nicht erst jetzt geschrieben worden, sondem wurde schon beim XXII. Festival zeitgenössischer Musik 1959 in Venedig uraufgeführt; aber sein Argument ist mehr als aktuell und eines unserer ersten Beispiele von ‘vollkommenen Theater’.

Unter der Leitung des grossen unermüdlichen Dirigenten Nino Sanzogno, unter der regie von Filippo Crivelli und dem Bühnenbild von Gianni Quaranta sowie der Mitwirkung zahlreicher Schauspieler und drei Sänger hatte Freitagabend also das "DREHENDE DIAGRAMM" seine erste glückliche Turiner Aufführung. Das Ergebnis ist jenes einer gut gelungenen, fesselnden Vorstellung.

Der Autor, Bruni Tedeschi, von Musik und Text (in der literarischen Abassung von Giampiero Bona) hat für diese dramatische Aktion in zwei Akten ein heisses Argument gewählt, und zwar jenes der sozialen Forderungen, wobei die Welt des Arbeiters und die Welt des Kapitalisten hart gegenüber gestellt werden und wo mit dem Finger auf  die Wunden von Diktatur und Grausamkeit des Krieges - die Zeit zwischen dem Ende des ersten und des zweiten Weltkrieges - gezeigt wird. In das allgemeine Panorama der Geschehnisse, welche die Welt von 1920 bis 1945 erschütterten und der  wirtschaftlichen und sozialen Erscheinungen dieser 25 Jahre rückt die tragische Geschichte einer typischen Arbeiterfamilie: Vater, Mutter und zwei Kinder sind unschuldige Opfer eines harten Gesetzes, das im geheimen die Menschenordnung regelt. Dieses Gesetz, dargestellt im Diagramm und im strengen Abwechseln seiner Zyklen (unterteilt in: Produktion, Superproduktion, Krisen, Diktatur und  Bewaffnung, Krieg und Trümmer, Ruin) regelt und verändert das Dasein der Menschen.

Das Begebnis dieser vier Hauptpersonen, die kämpfen um zu leben, die leiden und die in der Verzweiflung sterben (der Vater, der seine Arbeit in der Wirtschaftskrise der Dreiziger Jahre verliert, begeht Selbstmord; der Sohn, um seinen Vater zu rächen - überzeugt von der Schuld der Diktatur - fällt ihm zum Opfer; die Mutter verliert ihr Leben bei den Bombardierungen und die Tochter, einzige überlebende, wird geistesgestört) fügt sich als Mittelpunkt bühnenmässig und musikalisch in diese prästabilierte Aufzeichnung und vorgetragen von der trockenen und unvoreingenommenen Stimmer eines Sprechers (Tino Carraro), dessen Aufgabe ist zu kommentieren ohne an den Phasen des Diagrammes teilzunehmen.

Dieser sinnbildlichen Welt der Arbeiter, vertreten durch diese typische Familie und vieler anderer (Name? hat keine Bedeutung, wir sind in viele, viele....) gegenüber steht die ebenso sinnbildliche Welt der Industrie vertreten durch den Verwaltungsvorstand und Verwaltungsrat.

Zu diesen Hauptdarstellern, welche sich in Prosa ausdrücken und von Carlo Hintermann (Arbeiter), Lina Volonghi (dessen Frau), Gabriele Lavia (der Sohn), Cauclia Giannotti (die Tochter), Enzo Tarascio (Vorsitzender) verkörpert werden und die sich wegen der gelungenen ausdrucksvollenVortragsart begleitet von einem rhythmisch musikalischen Gewebe (ihnen ein wenig ungewohnt) bewundern lassen, fügen sich zwei Vokalterzette, zusammensetzend aus dem Tenor PierFrancesco Poli, dem Tenor Giorgio Lormi und der Bass Alfredo Giacomotti) denen dìeses Begebnis fremd ist, aber nicht die Aufgabe dieses Arguments.

Die musikalische Seite beschreibt, verkündigt und unterstützt in architektonischen Blocks und in kontrapunktischer Form díe Situationen der Aktionen, der Szenen - kalt ausgearbeitet oder ergreifend, je nach Situation (ein Leitmotiv begleitet die Gegenwart des Arbeiters, Trompetenstösse kennzeichnen die Erscheinung der einzelnen Phasen des Diagramm) und w'rd ein klarer Kontrapunkt bei diesen beiden vokalischen Eingriffen, abgetrennt und kühl.

Wo sich der Komponist mit aussergewöhnlicher Anstrengung ausdrückt und wo er Momente hoher artístischer Vibrierungen in den Chören erreicht - in den sechs Klageliedern, die über die gesamte Aufführung in den ansteigendsten, sehr wichtigen und richtigen Momenten verteilt sind - so ist der Chor sehr gut und meisterhaft von Fanfani vorbereitet worden.

Ganz richtig hat der Regisseur für sie eine glückliche Lösung gefunden wie jene, die Chorsänger durch eine dunkle doch durchsichtige Leinwand zu verbergen, hinter welcher sie von roten Licht beleuchtet wie Flämmchen erscheinen.

Von guter Idee ist die Aufteilung der Bühne in drei horizontale Zonen, welche somit die drei Verhältnisse im Querschnitt bietet: der Vorstand des Verwaltungsrates oben, die Werkstatt in der Mitte und die Wohnung  des Arbeiters unten. So konnte man die Bühnenbrücken, auf- und abgehen sehen.

Man sagt, dass die Bühnenvorbereitung in perfekter Weise funktioniert hat, und hin und wieder' ist es auch richtig, die Namen der Verantwortlichen hinter der Bühne zu nennen und welche am Ende nur die Applause für die auf der Bühne stehenden hören. Zusammen mit dem technischen Leiter Aulo Brasaola, der vom Regisseur Crivelli als sein bisher bester Mitarbeiter bezeichnet wurde, erinnern wir an die beiden Anfossi, Luigi und Paolo, verantwortlich fuur die Beleuchtung und Dias Projektion; Riccardo Venturati, verantwortlich für das Funktionieren der Transistormikrophone; Silvano De Forheger, Gaetano Blaso und Sergio Stroppiana, verantwortlich für Skenographie und Bühnenkonstruktionen und nicht zuletzt Enzo Dardani, Renato Merli, Paolo Peri und Orfeo Baroni, verantwortlich für alle Mechanismen und deren Manöver, für Bühnenhimmel und Eisenkonstruktionen. (Lidia Palomba)